Klassisch: Vitamin C und Nierensteine

Triumphierend berichtet die Ärztezeitung über eine nagelneue Studie aus Schweden, vom Karolinska Institut (Stockholm), welche an 23.400 Teilnehmern (11 Jahre) beweisen würde, dass Männer, die regelmäßig Vitamin C einnehmen würden, ein doppelt so hohes Risiko für Nierensteine hätten.

Ah ja. Ein Klassiker. Lassen Sie uns das Ganze Punkt für Punkt genießen:

NICHT triumphierend hat die Ärztezeitung 1996 berichtet. Als in einer viel größeren Studie an 45.251 Männern (6 Jahre) kein erhöhtes Risiko festgestellt wurde. Im Gegenteil: Bei den Männern fand sich: Je mehr Vitamin C (über 1,5 g), desto weniger Nierensteine. Also exakt das Gegenteil.

NICHT triumphierend hat die Ärztezeitung 1999 berichtet, als in einer noch größeren Studie an 85.557 Frauen (14 Jahre) kein erhöhtes Steinrisiko gefunden werden konnte.

NICHT triumphierend hat die Ärztezeitung berichtet 1999 vom Second National Health und Nutrition Examination Survey. Auch hier: Vitamin C macht keine Nierensteine.

All das interessiert nicht. Da wird gewartet, gewartet, gewartet: es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir dem Vitamin C nicht etwas anhängen könnten...Na endlich. 2013 hat's geklappt.

Geklappt? Na, dann lesen wir die Studie doch einmal durch. Wird natürlich wieder kein Journalist tun. Wir finden

  1. Die Dosis an täglichem Vitamin C war nicht bekannt. Man hat einfach nur so angenommen, dass es wohl 1 g oder mehr sei, weil es solche Tabletten in Schweden gab.

  2. Wenn Vitamin C als Multivitaminpräparat eingenommen wurde, war das Risiko für Nierensteine ausdrücklich nicht erhöht. Ausdrücklich nicht. Orthomolar oder Vitamineral sind also ausdrücklich harmlos.

  3. Und für Frauen gelte diese Arbeit schon gar nicht. Die hätten ja typischerweise ein viel kleineres Nierensteinrisiko. Ganz generell.

  4. Ach ja: Das "doppelt so hohe Steinrisiko" nach täglichem Vitamin C betrug 1,47 Promille. Noch einmal: Promille.

Spätestens jetzt sollte man aufwachen. Und verstehen, weshalb es eine Vielzahl von Studien gibt, welche beweisen, dass Vitamin C das Nierensteinrisiko eben nicht erhöht. Bei 1,47 Promille kann das Pendel mal nach dieser oder nach der anderen Seite ausschlagen. Leuchtet mir ein.

Ausdrücklich übrigens ist das Steinrisiko in erster Linie abhängig von der täglichen Trinkmenge. Und die schädliche Substanz (Folgeprodukt von Vitamin C) sei ja Oxalat. Enthalten in Schokolade, Spinat, Rhabarber, Tee und Kaffee. Das dürfen Sie dann natürlich – wenn sie die Vitamin C-Story glauben – auch nicht mehr zu sich nehmen.

Klassisch. Sobald man sich eine von diesen Drohstudien einmal gemütlich zur Brust nimmt, zerfasern die, lösen die sich auf. Bleibt immer so gar nichts mehr übrig. Immer und immer wieder die gleiche Beobachtung.