Gast News von Ulrich Strunz jun.
Als Kind war uns doch sonnenklar, dass ein Pfarrer ein gemütlicher, älterer Herr ist, der abends in der Gastwirtschaft mit den Ortsansässigen ein paar Weizen (bei uns gibt’s kein Weißbier) oder Rotwein trinkt, und ein wenig über die Geschehnisse plaudert.
Während des Religionsunterrichts in der Grundschule, hat man sich als 7-jähriger auch nicht darüber gewundert, wenn der Herr Pfarrer sich auch ab und an geheimnisvoll umgedreht, und eine Priese Schnupftabak genommen hat – irgendwo zwischen dem 3. und 4. Gebot und dem 8. und 9. Gebot.
Als Kind hat man noch ein Gespür für Wahrheit. Man merkt sich die Dinge, die einfach wahr sind. Und spricht sie ungeniert aus. Oft zum Nachteil der beschämten Eltern.
Ich habe nur gute Erinnerungen an unseren "Pfarrer Tontarra". Er ist das Symbol geworden, das Bild in meinem Kopf, wenn ich das Wort "Pfarrer" höre und lese.
Herr Pfarrer Tontarra hatte uns Kinder 1994 das Beten beigebracht. Er sagte uns im Unterricht, dass Beten kein Handel sei. Dass man dem lieben Gott bloß nicht sowas sagen soll wie "Ich wünsche mir mehr Taschengeld lieber Gott, dann will ich auch immer brav aufräumen.".
Das wäre ja schon wieder "Wenn … dann", langweilige Kausalität. In dieser Kausalitätswelt leben wir sowieso, auch ohne Willen. Wie eine Marionette, wenn man will. Dafür braucht es das Beten nicht.
Unabhängig von der Kausalität, von der Notwendigkeit, gibt es eine Selbstverständlichkeit. Die auf uns herunterblickt. Könnte man übersetzen als:
"Das Wissen, dass es immer noch besser geht, ist wunderbar.".
Das passende Symbol für diesen Satz, wenn es fehlt, kann man sich machen. Durch Tun. Für den Anfang, könnte man sich die News von meinem Vater noch einmal durchlesen (siehe "Banales und Wichtiges" 22.03.2019).
Denke ich an Pfarrer Tontarra, reagiert mein Gehirn mit der Emotion "Geborgenheit". Klar:
Selbstverständlich habe ich alles von Dawkins und Schmidt-Salomon als 16-jähriger verschlungen.
Als ehemaliges Kind, dann jugendlicher Atheist, studierender atheistischer Agnostiker und dann agnostischer Atheist (oder war es andersrum?), Marathonlaufender Agnostiker, und jetzt wieder bewusst im Herzen Kind, wage ich Stellung zu beziehen:
Geht man den strengen Ratio-Weg, und arbeitet sich ordentlich durch den harten Weg der Wissenschaften, kommt man, wenn man ehrlich zu sich selbst geblieben ist, zurück zu dem was man als Kind schon längst begriffen hat.
Zurück zu dem, was die Erwachsenen in Allersberg – damals – uns Kinder täglich suggerierten, ohne dass wir dafür tausende Bücher wälzen mussten. Das Versprechen der einen Selbstverständlichkeit:
"Ein Gott, der uns einmal in seine Arme nehmen wird.".
P.S. Den lieben Gott malte ich in der Grundschule als eine Frau mit rotem Samtumhang, unter dem wir uns sicher fühlten. Malte also einen weiblichen Herrgott. Sehr zur Scham unserer damaligen Religionslehrerin. 1994 war das für die Frauen noch ein Angriff. Und heute…?
© 2024 Dr. Ulrich Strunz