Sitzt in München ein sehr kluger, interessanter und unbequemer Mensch: Doktor Ali Yildirim. Lungenbiologe, Leiter des Institutes für Lungenbiologie am Helmholtz Zentrum München. Fachmann auf dem Gebiete COPD (News vom 20.04.2016.de).
Der wird – natürlich – im SPIEGEL interviewt und spricht so merkwürdig anders. Der beklagt also nicht den fehlenden Impfstoff, jammert nicht darüber, dass man keine Tabletten gegen die Covid-19-Krankheit hätte (was überhaupt nicht stimmt, aber wen interessiert das schon…), sondern der sagt doch tatsächlich, man höre und staune:
Jetzt lernen wir, wie wichtig es gewesen wäre, wenn wir schon vorher auf unsere Gesundheit geachtet hätten. Und wie entscheidend ein gestärktes Immunsystem ist.
Ach wie, ach was. "Wäre"? Ja, worüber rede und schreibe ich mir den Mund fusselig seit 25 Jahren? Kennen Sie das Wörtchen "kompetentes Immunsystem"? Erscheint praktisch in jeder Blutanalyse, symbolisiert und erläutert an z.B.
Erhöhter EBV-Titer.
Tiefes Gesamt-Eiweiß.
Katastrophales Aminogramm.
Viel zu wenig Zink.
Viel zu wenig Vitamin D.
Alles Faktoren, die der Mensch selbst in der Hand hat. Eigenverantwortlich. Faktoren, um die sich jedenfalls jeder Arzt kümmern könnte. Es freilich nicht tut. In der Regel jedenfalls nicht.
Dabei gäbe ein starkes Immunsystem doch so viel Selbstsicherheit, innere Ruhe: Der Mensch lernt doch, dass er seit 10, 15 Jahren nie mehr krank war. Der versteht doch plötzlich "Immunsystem". Braucht nicht bei einem Corona-Virus in Panik zu verfallen, seine Bürgerrechte herschenken, und mithelfen, die gesamte deutsche Wirtschaft auf lange Jahre zu ruinieren. Wir werden uns alle noch wundern.
Die Peinlichkeiten gehen weiter: Yildirim erklärt Immunsystem sehr wohl auch außerhalb des Labors. Es gibt ja noch mehr Zugänge, wie Sie alle wissen. Und der spricht´s aus:
Das Immunsystem kann man durch körperliche Bewegung (joggen), ausreichenden Schlaf und gesunde Ernährung stärken, also viel Obst und Gemüse essen.
Stimmt. Goldrichtig. Könnte man noch ein bisschen verfeinern, aber die Grundsäulen stimmen.
JETZT KOMMT'S: Yildirim kann es nicht lassen, über das Rauchen zu sprechen. Und dann wird´s wirklich peinlich:
Es gibt eine Korrelation zwischen dem Konsum von Zigaretten und dem Risiko eines schweren Verlaufs der Lungenkrankheit Covid-19.
Von den 50- bis 60-jährigen Einwohnern in Deutschland rauchen rund 25% der Frauen und 31% der Männer.
Ahhh, ja. Corona gefährdet sind (95%) die 60 bis 100-jährigen. Die hören dann hoffentlich schlagartig mit dem Rauchen auf, oder? Denn, erneut Yildirim:
Mit jedem Lungenzug saugt man mehr als 4000 verschiedene Chemikalien in den Körper. Der Zigarettenrauch erhöht die Zahl sogenannter ACE₂-Rezeptoren auf den Epithelzellen der Atemwege.
Und genau über diesen ACE₂-Rezeptor scheint Sars-CoV-2 in die Epithelzellen einzudringen. Bedeutet: Wer raucht, der macht es dem Virus leichter, den Körper zu infizieren.
Jetzt ist es raus. Über diesen Rezeptor haben Sie ja schon am 25.03.2020 gelesen. Der wird also durch Rauchen vermehrt, macht den Menschen noch anfälliger, als er in diesem Alter sowieso ist.
Sie hatten bereits gelernt, dass auch Menschen mit Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheit mehr von diesen Rezeptoren auf ihren Lungenzellen haben. Genau deshalb sind sie gefährdet.
Und Sie hatten bereits gehört, dass die typischen hochmodernen Blutdruck/Herztabletten wie Ramipril, Captopril…. genau wie Sartane (Losartan) die Anzahl dieser Rezeptoren weiter steigert. Das Virus hat nun sicherlich leichtes Spiel.
Und besiegt diese älteren, vorerkrankten Menschen.
Dass die tägliche Zigarette, die ja nicht schlagartig mit dem 60.ten Lebensjahr weggeworfen wird, sondern von rund einem Viertel unserer Senioren weiter gepafft wird, den Menschen noch ein drittes Mal anfälliger macht für das Corona Virus… erklärt mir so langsam die ganze Katastrophe.
Danke, Herr Kollege.
Quelle: DER SPIEGEL Nr. 16/11.04.2020, Seite 104.