Manche von Ihnen haben dem Artikel in der letzten Woche nicht geglaubt. Der beschreibt,
dass die deutsche Medizin zwangsläufig dem Weltstandard hinterherläuft. So schlimm,
glauben manche, kann es wirklich nicht sein.
Es ist noch viel schlimmer.
Lassen Sie mich dies an einem Fakt und einer spannenden Story festmachen. Zuerst das Fakt:
Wenn es auch Ihnen schwer fällt, zu glauben, dass (Zitat) "Deutschlands Beitrag zur globalen
Wissenswelt in der medizinischen Versorgung" so etwa gegen Null tendiert, muss man doch
(Zitat) "zur Kenntnis nehmen, dass internationale Arbeitsgruppen wie etwa die jüngste, von der WHO, der UNESCO und der Weltbank organisierte Konferenz "setting the global health research agenda" ohne jede deutsche Beteiligung abläuft".
Deutschland kommt einfach nicht vor.
Dafür sind wir weltweit führend im Setzen von Stents. Sie wissen schon, den kleinen
Röhrchen, die verhindern sollen, dass Herzkranzgefäße sich (wieder) schließen. Kein anderes
Land der Welt verwendet dieses Röhrchen so häufig. Vielleicht wissen die anderen etwas?
Wissen, dass in internationalen Studien Stents schlechter abschneiden als Bewegung (News
12.06.2007, www.drstrunz.de).
Dieses Nichtwissen, dieses deutsche Nichtwissen hat soeben ein 61‐jähriger Patient erlebt.
Beschreibt der Spiegel 2/2009 auf Seite 110:
Der Patient liegt im Herzkatheder‐Labor. Beruhigend wird ihm vom Oberarzt gezeigt, dass sein Stent nicht zugesetzt ist, dass drei bekannte Engstellen nur gleich geblieben waren. Da müsse man nichts machen, erklärt der Oberarzt.
Dann erscheint der Chef. Grußlos. Und möchte einen weiteren Stent setzen. Patient
protestiert. Chef reagiert nicht. Und nach 45 Minuten hatte der Patient gleich drei neue Stents. Er war "sprachlos und völlig geplättet".
Der Patient geht zum Gutachter. Die drei neuen Stents waren überflüssig. Der Patient klagt, verklagt den Chefarzt.
Der Witz kommt erst: Der Patient ist selbst deutscher Gefäßchirurg. Kollegen unter sich. Was
der Spiegel hier berichtet, habe ich persönlich erlebt. Auf anderem Gebiet. Will sagen: Wir
sprechen hier vom Alltag.
Von normalen medizinischen Abläufen in den deutschen Kliniken.
Aus dem Artikel von Professor Antes in der FAZ habe ich Ihnen deswegen so ausführlich
zitiert, weil er als erster mir das, was ich persönlich erlebt habe, erklärt hat. Ganz sachlich
und neutral: Es fehlt an Wissen.