Sportlich war er schon immer. Der IT-Fachmann. Vormals Telekom Austria. Rennrad-Fahrer. Abhängig von Kohlenhydraten, wie fast jeder hart Trainierende. Aus zwei Gründen:
Man hat es nie anders gehört. Stichwort Nudelparty.
Es besteht kein Anlass, etwas Bewährtes zu ändern.
Tja. Bis der sportliche junge Mann 2014 die Diagnose "Diabetes Typ I" aufgestempelt bekam. Heißt: Bauchspeicheldrüse produziert kein oder fast kein Insulin mehr. Und Insulin ist lebenswichtig. Transportiert uns den Zucker in den Muskel, damit er dort verbrennt. So gesehen, ist Insulin wichtig für jede sportliche Leistung, jede Muskelkontraktion.
Ist aber nur die halbe Wahrheit, wie der junge Mann sich langsam, langsam erarbeitet hat. Es gäbe nämlich noch einen zweiten Stoffwechsel-Weg, den sogenannten
AKTIVITÄTS-STOFFWECHSEL
Heißt Zuckerstoffwechsel in Bewegung. Eine unübliche, verdächtige Lebensweise. Bewegung. Laufen. Sport treiben. Wird misstrauisch beäugt von Normalmenschen mit gesundem Menschenverstand.
Gesund? Kurz nachdenken, bitte.
Der IT-Fachmann, Sportler, Diabetes Typ I´ler formuliert so schön, dass ich einfach abschreibe:
"Bei der Ketogenen Lebensweise ist das Wissen über den
Glukose-Stoffwechsel bei Bewegung auch für die Anwendung der sog.
Targeted Ketogenic Diet (TKD) wichtig. Bei TKD wird für hohe
Belastungsintensitäten in Training oder Wettkampf vor und während dieser
Belastungsphasen zielgerichtet, d.h. der Intensität entsprechend,
Glucose zugeführt. Warum dabei nahezu kein Insulin für die
Glucose-Aufnahme in die Muskelzellen benötigt wird und daher die Ketose
erhalten bleibt, erkläre ich hier ...
Ich dachte mir immer, dass Insulin der Türöffner für den Eintritt des
Zuckers in die Zelle ist. Diese Aussage ist zu sehr vereinfacht, um den
Zuckertransport in die Zelle vollumfänglich zu verstehen. Da sind wir
schon beim Thema: Transport! Der tatsächliche Transport
des Blutzuckers in die Zellen erfolgt mithilfe von - tah taaaah! -
Glucosetransporter (GLUT). Das sind Proteine, die den Transport
von Glucose oder Fructose durch die Zellmembran durchführen. Von diesen
gibt es ganze 12 verschiedene Typen - wobei der wichtigste für uns der
GLUT4 ist, der vor allem in Skelett- und Herzmuskelzellen
vorkommt.
Nun kommt das Interessante! Die GLUT4 Translokation kann auf 2
Arten stimuliert werden:
durch Ansteigen von Insulin
durch Muskelkontraktion
Die beiden Stimuli sind überhaupt nicht abhängig von einander. Wir
wissen ja, dass bei steigendem Blutzucker auch der Insulinspiegel steigt
und jetzt wissen darüber hinaus, dass damit mehr GLUT4 Transporter
aktiviert werden.
Aus praktischer Erfahrung - zumindest jener von Insulin-abhängigen
Diabetikern - sehen wir aber auch, dass der Blutzucker rasch sinkt, wenn
wir in ausreichender Intensität beim Sport aktiv sind. Das hat damit zu
tun, dass nun durch Muskelkontraktion ebenfalls die GLUT4 Transporter
zur Glukose-Aufnahme aktiviert werden. Manchmal hat das für einen
Diabetiker einen Hypo zur Folge, wenn bei "ungeplanter" sportlicher
Aktivität neben dem verabreichten Insulin nun auch zusätzlich durch
körperliche Bewegung die Glukose-Transporter aktiviert werden.
Hoffentlich ein Traubenzucker gegen den Unterzucker dabei ...
Praktische Erfahrung? Haben auch viele von uns Hobby-Sportlern. Wenn allein durch Muskelkontraktion der Zucker aus dem Blut transportiert wird, es zum Unterzucker kommt, dann nennen wir das Hungerast.
Nicht besonders lustig, wenn man dann auf allen Vieren auf dem Waldboden krabbelt und verzweifelt nach vertrockneten Preiselbeeren sucht. Zu dem Thema habe ich eine ganze Reihe von vergnüglichen Erlebnissen.
Fazit: Wir lernen, insbesondere der Diabetes Typ I-Patient ohne jegliches Insulin lernt, dass er das gar nicht braucht. Er muss überhaupt nicht Insulin spritzen. Überhaupt nicht.
Muskelkontraktion hat den gleichen Effekt, nämlich den Transport von Zucker aus dem Blut in den Muskel. Genau wie Insulin. Und was heißt das dann praktisch?
Können Sie sich selbst ausdenken. Im Übrigen auch nachlesen (News vom 06.06.2016 und "Ironie?").
Quelle: Jeff Heusserer, www.living-keto.at
Den jungen Mann können sie beim dritten deutschen Low-carb-Kongress in Düsseldorf kennen- lernen. Da wird er ein bisschen über Alpenpässe plaudern.
Ironie?
Würden Sie, liebe Leser, das auch so sehen? Oder hätten Sie für diese Einstellung von uns
Ärzten einen ganz anderen Begriff parat? Einen sehr viel herberen? Lesen Sie doch einfach
einmal den "Brief von heute":
"Nun habe ich Diabetes Typ I seit 17 Jahren mit einer minimalen Menge von Restinsulin. Ich treibe viel Sport, und dies wurde von den Ärzten bisher immer als positiv betrachtet. Seit bei mir der Diabetes festgestellt wurde, wurde mir immer wieder kohlenhydratreiche Kost empfohlen.
In der letzten Zeit habe ich mich sehr mit Ernährung beschäftigt, und habe nun seit 3 Wochen meine Ernährung auf "low carb" umgestellt, und achte darauf, mehr Eiweiß zu essen. Ich habe viel bessere und stabilere Blutzuckerwerte, fühle mich viel besser und kann nicht nachvollziehen, warum mir nie aus ärztlicher Sicht schon viel eher so eine Ernährung empfohlen wurde. Warum soll gerade ich viel Kohlenhydrate essen, wenn ich dazu immer Insulin spritzen muss? Irgendwie hat diese Verordnung der Ärzte doch eine gewisse Ironie, oder?
Auch beim Laufen, was ich sehr gerne tue, fühle ich mich seit der Ernährungsumstellung fitter und leistungsfähiger. Auch habe ich festgestellt, dass ich durch den Sport meinen Blutzucker senken kann. Wenn ich beispielsweise den ganzen Tag Rad fahre oder laufe, brauche ich an diesen Tagen gar kein Insulin. Also wäre doch die beste Medizin für mich und andere: Den ganzen Tag Sport treiben und low carb‐Ernährung?"
Ja, was denn sonst? Genau das tut doch jeder Eskimo, der ganztags mit dem Kajak
verzweifelt der Robbe hinterherjagt... Bei 7 hungrigen Kindern daheim im Iglu, oder? Genau
das hat doch jeder unserer Vorfahren in Zentralafrika getan, wenn er ganztags Antilopen
gejagt hat, oder?
Will damit wieder einmal sagen: Krank? Krankheit? Gibt's das überhaupt? Oder gibt's einfach
nur ein falsches Benehmen. Seit die Bücher über Epigenetik nur so aus dem Boden sprießen,
wissen wir, dass letzteres stimmt.
Zur Anfangsfrage: Die Patientin ist ja ausgesprochen verträglich und höflich. Die vermutet
bei uns Ärzten nur "eine gewisse Ironie". Man könnte das ja auch schlichtweg Dummheit
nennen. Oder noch schlimmer. Diese falschen Ratschläge haben jedenfalls mit unserem Eid
nichts zu tun. Ich nehme mich übrigens hier gar nicht aus. An der Universität habe ich genau
so daherge..