Hochmut kommt vor dem Fall

Lautet die Überschrift einer heutigen mail. Es folgen zwei engbedruckte Seiten. Außerordentlich lesenswert. Sehr klug und überlegt formuliert. Viel nachgedacht.

Falls von Ihnen ernst genommen, würde es der Hälfte aller meiner Patienten schlagartig helfen. Ihnen das Leben wieder lebenswert machen. Aber wie gesagt: Falls…. Sie nehmen mich und meine Ratschläge einfach nicht ernst. Weiß ich. Ich kann auch Forum lesen.

Folgt die mail von heute, weil so länglich, ein bisschen gekürzt:

"Vor 5 Jahren war ich bei Ihnen. Der Anlass: Ständige und vielfältige Magen-Darm-Probleme. Seit meiner Kindheit leide ich unter wiederkehrenden Bauchschmerzen, Durchfall, keine Kontrolle über die Darmtätigkeit (ich kenne sämtliche Raststätten und öffentlichen Toiletten). Natürlich als Kind Schuppenflechte und Krupphusten, als Teenager Neurodermitis und später dann der obligatorische Heuschnupfen plus Asthma.

Diagnose: Reizdarm. Was immer das auch sein soll (was psychisches, was hektische Leute wie ich halt so haben).

Sie schenkten mir das Buch "die Weizenwampe".

Habe ich angelesen. Wusste ja schon, was drin steht. Getreide ist natürlich böse….

Aber ein bisschen pseudowissenschaftlich ist der Ansatz ja schon, oder? In den 80er-Jahren war doch jeder genauso vom ultragesunden Vollkorn überzeugt und die Bücherregale waren genauso voller pseudowissenschaftlicher Ernährungsratgeber wie heute mit dem bad carbs. Wer weiß, was dort in 20 Jahren steht?

Ist der Mensch nicht DER Allesfresser und anpassungsfähigste Vertreter aller Tiere schlechthin? Liest man ja auch in der Süddeutschen und in der ZEIT….

Und – seien wir doch mal ehrlich – ein bisschen ist die Glutenverteufelung ja auch ein Hype? Erst in der Zeitung gelesen. Jeder glaubt, allergisch auf irgendwas zu sein.

Ist heutzutage auch ein bisschen eine Art von Abgrenzung und Identitätsstiftung.

Last but not least: Die Dosis macht doch das Gift, oder?

Außerdem bekomme ich meine Bauchschmerzen ja immer nach dem Genuss von Obst, Quark oder Kaffee und nicht nach dem Brot morgens. Deshalb meide ich Obst meistens, Molkereiprodukte immer.

Im heißen Juli habe ich mir dann beim Schwimmtraining im Badesee eine Infektion zugezogen….

Nach neun Wochen Durchfall saß ich morgens weinend auf der Toilette, hatte täglich rasende Kopfschmerzen, Sodbrennen und wurde immer schwächer und kränker.

Ich, das Energiebündel, war bereits völlig am Ende, wenn ich mit dem Rad die paar Kilometer zur Arbeit gefahren bin. An normalen Sport wie sonst war nicht mehr zu denken. Mein Hausarzt hatte mich bereits auf sämtliche Bakterien und Parasiten getestet, alles negativ. Nur der Entzündungswert war erhöht.

Da ich nichts mehr zu verlieren hatte und ich ohnehin keine Lust mehr hatte, noch irgendetwas zu essen, strich ich komplett von jetzt auf nachher alles (und mit alles meine ich jedes einzelne Molekül) Getreide und Gluten von meinem Speiseplan.

Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten….

Nach nur einem Tag (!!) war der Durchfall weg. Nach 2 Tagen die Kopfschmerzen und die fürchterlichen Bauchschmerzen (mein Magen war am Ende hart wie ein Stein).

Am 3. Tag dann kein Sodbrennen mehr. Ich trank mal wieder richtigen Kaffee und nichts passierte. Nach wochenlanger Qual war ich innerhalb kürzester Zeit so gut wie wieder hergestellt. Unglaublich. Ich kann zwar bei weitem noch nicht alles essen, aber verglichen mit davor geht es mir sensationell.

Das Erstaunlichste: Nach 2 Tagen bekam ich tief Luft. Ein Gefühl wie nach 2 Hub Salbutamol (das ich in der Pollensaison beim Joggen dabei habe). Ich dachte immer, so zu atmen wäre normal.

Nein, war es eben nicht.

Und richtig genial: Ich gehe jetzt genau einmal zur Toilette und zwar morgens und danach ist Ruhe. Und ich bin schon wieder ein paar lockere Runden gejoggt. Man wird ja so bescheiden….

Ich verstehe jetzt auch, warum Sie so unorthodox schreiben und mit uns schimpfen. Weil Sie genau wissen, wie wir, Ihre Patienten sind. Wir mogeln und mauscheln wie Pennäler, die heimlich hinterm Schulhaus rauchen. Und insgeheim zweifeln wir an Ihnen und relativieren.

Glauben´s nicht und wissen am Ende ja doch alles besser.

Ich entschuldige mich für die Hybris. Ich glaube, der Mensch muss 50 mal hören, dass die Herdplatte heiß ist und drei mal selbst draufgefasst haben, ehe er es glaubt.

Seien Sie weiter so streng. Sie haben Recht".

Weshalb ich so häufig Recht habe? Weil ich´s selbst ausprobiere. Weil auch ich ein Mensch bin. Weil ich nicht schlaue Lehrbücher abschreibe – wie viele meiner Kollegen – sondern weil ich Ihnen das Leben vorlebe. Beginnend beim Sport bis hin zum Extremsport, über die Meditation, inzwischen schon 57 Jahre (irgendwann kann man´s nämlich), bis hin zum richtigen Essen.

Auch ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Auch ich habe mich vielfach getäuscht, habe mich der Wahrheit eben Schritt für Schritt nähern müssen. Und teile es Ihnen mit.

Die wichtigste Erkenntnis? Es ist völlig sinnlos, über Ernährung zu sprechen. Solange Sie sich nicht bewegen. Ihr Körper funktioniert nun einmal nach präzise definierten Gesetzen. Genetisch korrekt.