Eine segensreiche Entdeckung. Schnelle Hilfe. Lästige, manchmal sogar tödliche Bakterien können mit diesen Wunderstoffen vernichtet werden. Oft in wenigen Tagen. Patient gesund. Echte Heilung. Kann man wirklich nicht hoch genug loben.
Das dicke Ende kommt auch bei dieser Wunderpille am Schluss. Heute. Über multiresistente Keime (tödlich!) muss ich hier gar nicht sprechen. Über die Verseuchung des Schlachtviehes… widert mich an. Das wissen natürlich auch unsere Gesundheitsbehörden. Die sind genauso klug… wie wir.
Also hat die Gesundheitsbehörde England 2008 wegen der Gefahr von Resistenzen von der Antibiotikagabe abgeraten. Tatsächlich wurden 80 Prozent weniger Antibiotika verabreicht. Klingt zunächst vernünftig.
Dummerweise nahmen die Entzündungen der Herzinnenhaut (Endokarditis) "deutlich zu" seither. Deshalb jetzt die neue Empfehlung: "Herzpatienten sollten Antibiotika erhalten, wenn ein Zahnfleisch-Eingriff bevorsteht". Hintergrund: Bakterien aus dem Zahnfleisch können die Herzwand angreifen.
Wenn das alles so einfach wäre. Der Gipfel sind ja die jährlichen Ermahnungen in den Ärztezeitschriften, als vernünftiger Arzt doch "Bitte, bitte" nicht bei jeder banalen Grippe Antibiotika zu verabreichen. Denn hier handle es sich ja bekanntermaßen um Viren, welche von Antibiotika (Bakterien) gar nicht erfasst würden.
Diese Ermahnungen lese ich seit 20, 25 Jahren mit heiligem Feuer im Herzen. Denn ich weiß.
Ich weiß, dass in meiner Nachbarstadt 2 Teenager gestorben sind. Die Schulklasse war im Schullandheim, hat sich gegenseitig mit Grippe angesteckt, kam mit laufender Nase nach Hause. Was tut der verantwortungsvolle Hausarzt? Gibt keine Antibiotika. Ist ja "nur ein Virus".
Resultat: Zwei junge Menschen tot. Bei der Sektion: Todesursache bakterielle Meningitis, also Hirnhautentzündung.
Banaler Hintergrund: Wann immer ein Virus Ihren Körper befällt, bedeutet dies, dass Ihre Abwehr kränkelt, zu schwach ist. Deswegen werden Viruserkrankungen fast sicher von Bakterien begleitet. Die wittern hier ein offenes Haus.
Deswegen habe ich mein Lebtag immer und sofort Antibiotika verabreicht. Wenn auch anders: Sehr viel kürzer. Nur wenige Tage. Hab ständig kontrolliert. Das Prinzip wurde inzwischen übernommen: Es gibt Antibiotika, die man nur einen einzigen Tag nimmt. Vernünftig.
So vermeidet man die Entwicklung von Resistenzen.
Fazit: Wenn Medizin so einfach wäre… wie die vielen Ratgeber da draußen glauben. Wir hier an der Front kennen keine simplen Ratschläge.
Quelle: "The Lancet" zitiert in Focus 48/2014, S. 119