Vitamin E und Betacarotin

Wenn Vitamine in den Medien angegriffen werden, sind es in der Regel diese zwei. Sie würden Krebs erzeugen, den frühen Tod bringen. Dazu lägen Untersuchungen vor. Stimmt.

Stimmt natürlich nicht. Die Natur bietet uns keine essentiellen Substanzen, die uns umbringen. Die Natur ist nicht der Mensch. Der Mensch, der statt Vitamin E Lipobay (gegen Cholesterin) chemisch erzeugt und tausende von Menschen in das Grab gebracht hat.

Weil es so wichtig ist, noch einmal ganz langsam. Wie ist die Geschichte mit Vitamin E und Betacarotinen nun wirklich zu verstehen? Gelernt habe ich die wissenschaftliche Wahrheit 1991 von Prof. Esterbauer, Chef der Biochemie in Graz. Aus einem Interview ("Fett in der Ernährung" von Rohwedder, Seite 154). Da geht es um das gefährliche LDL-Cholesterin. Welches, abgelagert, unweigerlich zum Herzinfarkt führt. Stimmt. Außer...man kann mit Vitamin E umgehen. Also ganz langsam:

"Alle Lipidmembranen, auch die Membranen der uns in diesem Zusammenhang interessierenden Lipoproteine, sind zudem geschützt durch fettlösliche Antioxidantien, von denen die wichtigsten Vitamin E und die Carotinoide sind. Solange Vitamin E in der äußeren Hülle des LDL-Partikels vorhanden ist, ist das Partikel gegen Radikalangriffe geschützt. Werden also vermehrt polyungesättigte Fettsäuren angeboten, erhöht sich dadurch nicht zwangsläufig das Arterioskleroserisiko. Wir dürfen bei der Beobachtung von Vorgängen im Organismus also nie die ungesättigten Fettsäuren allein betrachten, sondern immer im Zusammenhang mit ihrem natürlichen Verteidigungssystem, den Antioxidantien.

Frage: Wir haben bisher von dem im Blut schwimmenden LDL-Partikel gesprochen. Besteht denn dort angesichts einer Vielzahl von hydrophilen Anioxidantien tatsächlich die Gefahr der oxidativen Veränderung?

Esterbauer: Sie haben recht, das Blut ist so reich an Antioxidantien, dass es dort kaum zu einer fatalen Kettenreaktion kommen kann, an deren Ende eine Schaumzelle steht. Wehrt das Vitamin E in der Blutbahn einen Radikalangriff ab, wird es selbst zum Vitamin-E-Radikal, verbleibt aber in der Membran, wo es sofort durch Vitamin C reaktiviert werden kann. Das dabei entstehende Vitamin-C-Radikal wird sofort über Glutathion reaktiviert, das seinerseits über Glukose reaktiviert wird. Im Blut verfügen wir über ein fast sicheres Schutzsystem. Aber das LDL bleibt ja nicht im Blut, es wird von den Endothelzellen aufgenommen und in die Intima abgegeben, wo die glatten Muskelzellen mit Vitaminen, Fettsäuren und Cholesterin versorgt werden.

Befindet sich nun allerdings im Bereich der Intima eine Läsion, so finden sich dort in großer Zahl Makrophagen mit der Eigenschaft, ständig Sauerstoffradikale zu bilden. Dort haben wir eine Situation, die durch die Makrophagentätigkeit freigeräumt ist von wasserlöslichen Antioxidantien wie Vitamin C und Glutathion. Damit stehen dem das LDL schützenden Vitamin E nicht mehr genügend Reaktivierungskräfte zur Seite, so dass es relativ schnell verbraucht ist und das LDL ungehindert oxidieren kann, von Makrophagen über den Scavenger-Rezeptor aufgenommen und zur Schaumzelle wird, aus der dann zunächst sog. Fatty streaks und später atherosklerotische Plaques werden.

Frage: Ist das eine Hypothese oder experimentell beweisbar?

Esterbauer: Man kann LDL in vitro einem oxidativen Stress aussetzen und verfolgen, was über die Zeitachse passiert. Lange Zeit passiert gar nichts, etwa 40 Minuten ist die Situation ganz stabil. Das LDL hält dem oxidativen Stress also 40 Minuten lang stand. Das ist aber keinesfalls eine ruhige Phase, in diesen 40 Minuten spielen sich vielmehr höchst dramatische Prozesse ab: Nach und nach brechen nämlich die antioxidativen Verteidigungslinien zusammen, zuerst das Tocopherol (Vitamin E), dann die verschiedenen Carotinoide und Retinoide. Wenn auch diese zweite Verteidigungslinie zusammengebrochen ist, dann spielt sich innerhalb von nur 15 Minuten ab, was wir bereits besprochen haben: Oxidativer Abbau der Fettsäuren und Modifikation des Apolipoproteins B in einer Art und Weise, dass es von den Makrophagen über den Scavenger-Rezeptor aufgenommen wird und zur Schaumzell- und Plaquebildung führt.

Frage: Kann man die 40minütige Zeit des Geschütztseins verlängern, wenn man in dem beschriebenen Experiment Vitamin C hinzugibt?

Esterbauer: So ist es, dann passiert sehr lange Zeit nichts. Wenn dann allerdings die wasserlösliche Ascorbinsäure verbraucht ist, kann sie die fettlöslichen Antioxidantien (z.B. Vit E) nicht mehr reaktivieren, die das LDL dann – wie beschrieben – noch 40 Minuten vor dem oxidativen Stress schützen können, ehe es zur LDL-Oxidation kommt".

Seit 1991 bekannt. Aber selbst eine Nobelpreisträgerin Blackburn behauptet aktuell in einem Nebensatz: "Vitamin E erzeugt Krebs". Das Körnchen Wahrheit: Rein isoliert betrachtet, tatsächlich. Nur...Vitamin E kommt isoliert in der Natur nicht vor. Wir haben doch alle – hoffentlich! – Vitamin C im Blut. Wie Prof. Esterbauer so präzise beschrieben hat.

Vitamin E und Betacarotine sind in der Hand des Wissenden unschätzbare Lebensretter. Siehe News vom 27.10.2006, www.drstrunz.de.