Gast-News Nr. 72
Das ist Kommunikation:
Wann immer wir von irgendetwas sprechen, müssen wir an etwas glauben. Was bedeutet das?
Wenn wir beispielsweise von Emotionen sprechen. Im Jahr 1981 gab es laut Paul und Anne Kleinginna 92 Definitionen von Emotion, sowie 9 skeptische Analysen zu diesem Begriff ("A Categorized List of Emotion Definitions, with Suggestions for a Consensual Definition").
Sie haben aber ein genaues Bild davon, was Emotionen sind. Selbst wenn Sie denken, dass Emotion ein wahnsinnig komplexes Geflecht aus Milliarden kleinster Faktoren ist,…Sie haben ein genaues Bild davon, was Emotionen sind. Dieses Bild mag sich ändern. Nur jetzt, im Moment, verbindet sich mit diesem Wort ein Gefühl in Ihnen.
Gefühle sind damit nicht gleich Emotion. Gefühle ermöglichen es Ihnen, Dinge erfahren und verstehen zu können, die Sie nicht schmecken, sehen, hören, riechen oder fühlen können. Was sollen das für Dinge sein?
Alle Dinge, mit denen Sie noch nie durch Ihre Sinnesorgane in Berührung gekommen sind. Oder abstrakte Gedankengebäude, die auf Kommunikation beruhen. Wie z.B. "die NATO".
Sobald Sie also z.B. das Wort Emotion benutzen, ignorieren Sie dutzende Definitionen. Sie lassen Informationen weg. Sie glauben, meist unbewusst, dass das Weglassen dieser Informationen, die Sie wahrscheinlich nicht einmal kennen, Ihr persönliches Bild von Emotion nicht falsch darstellt.
Der letzte Satz zeigt, wie unglaublich kompliziert Kommunikation ist. Wenn man sie mittels eines Modells beschreiben will. Denn: Wie kann man denn etwas weglassen, was man nicht kennt?
Indem man Dinge grundsätzlich, immer, mit jedem Atemzug ignoriert. Denn genau das ist Wahrnehmung. Weglassen von Information. Und unbewusst oder bewusst die Information, die übrig bleibt, z.B. in ein Wort verwandelt. Welches gezwungenermaßen aus einem Gefühl heraus geformt wurde.
Kann kein Computer der Welt. Keine Turing-Maschine (jeder Computer ist eine Turing-Maschine) kann einfach so "Dinge ignorieren" oder "Ein Wort durch Nicht-Wissen bauen."
Damit sind wir grundsätzlich ignorant. Wer denkt, er sei es nicht, ist arrogant. Ein Gegenwartsproblem der Intellektuellen. Daher die ewigen Diskussionen. Man kann jede Aussage verbessern. Weil jede Aussage auf Ignoranz beruhen muss. Zwangsläufig. So funktionieren wir eben.
Nur sind wir an Kosten interessiert: Wir bauen Wörter meistens, damit unser Gegenüber mit möglichst wenig Nachdenken ein klares Bild von unserem Bild bekommen kann. Das spart Kosten.
Kommunikation lebt also davon, welche Informationen Sie weglassen.
So funktioniert auch Propaganda. Sie lassen gezielt Informationen weg. Damit Ihr Gegenüber mit einem möglichst geringen Aufwand ein klares Bild von Ihrem Bild bekommen…kann.
Propaganda und normale, nett gemeinte Kommunikation sind also mittels eines Modells nicht voneinander zu unterscheiden. Nur durch Gefühl unterscheidbar. Was bedeutet das?
Ob wir ein klares Bild von unserem Kommunikationspartner bekommen, liegt ganz bei uns. Nichts und niemand besitzt die Macht, uns ein Bild einzupflanzen.
Daher das Problem der Gedankenblasen. Dass man gern sich selbst dazu verleitet, nur das hören zu wollen, was die Richtigkeit des eigenen Weltbilds bestätigt.
Kommunikation beruht damit grundsätzlich auf Vertrauen. Und Vertrauen entsteht durch häufig wiederholte Bestätigung, dass der Partner das gleiche zu glauben scheint, wenn ich z.B. von Emotion spreche. Wenn also auch die Kosten möglichst gering sind.
Und das ist Kultur.
Sie gibt einen Rahmen, eine Betriebsanleitung, welche Informationen es wegzulassen gilt. Beim Sprechen und beim Hören. Wir haben als Gesellschaft ein Interesse daran, möglichst geringe Kosten zu produzieren. Stichwort Nachhaltigkeit. Wir sind es also eigentlich schon von Natur aus: nachhaltig.
Nur: letztendlich kann selbst eine Kultur den Willen des Einzelnen nicht berühren. Wir haben es immer in der Hand, welches Weltbild in uns wohnt.
Und der Einzelne vermag es auch, die Kosten unnötig steigen zu lassen. Indem er darauf pocht, dass sein Weltbild absolut, und nicht wie die Ethik unter bestimmten Voraussetzungen, richtig sei. Das dieses Weltbild in jedem Kontext richtig ist. Nennt sich Moral. Nennt sich also Arroganz.
Damit ist Moral notwendigerweise epistemologisch falsch. Logisch falsch. Unnötig. Und weil sie in der Realität damit unnötig Kosten verursacht, ist sie damit grundsätzlich unethisch.
Drum: lassen wir uns nicht von Moralaposteln und Gegenwartsproblemen leiten. Wir messen, weil wir Gefühle ernst nehmen. Immer bereit anzuerkennen, dass wir ignorant sind.
P.S. Das Leben gibt uns allerdings Hinweise. Andauernder Stress, häufige Krankheiten, immer wieder auftretende Unfälle vergleichbarer Art,…sind Hinweise, dass wir gegen die Natur selbst arbeiten. Die Kosten sind hoch, wenn wir Glaubenssätze verfolgen, die in diesem Universum nicht effektiv sind. Die man, Mensch wie man ist, gerne ignoriert. Ob der Körper leidet, kann man messen. Ob das eigene Weltbild effektiv ist, kann man messen. Das hat jeder selbst in der Hand.