Früher sagte man in der Medizin "Hormone, gnä Frau", heute sagt man "genetisch", wenn man in Wahrheit sagen müsste "ich weiß es nicht".
In der Politik ist diese Art der Sprachregelung gang und gäbe. Einverstanden. In der Medizin menschenverachtend, ja tödlich. Beispiel gefällig?
Junger Mann mit Nervenlähmung. Beider Beine. Trotz wirklich ernsthafter, seriöser Anstrengung keine Ursache gefunden. Außer "zwei Gene". Damit ist der junge Mann verurteilt. Seine Krankheit ist genetisch, in den Genen verankert, damit nicht heilbar, er ist verloren. So denkt er, so muss er denken.
Unmenschlich.
Dabei völlig falsch. Das Märchen von dem Gen, welches eine Krankheit macht, ist zwar unausrottbar, aber schlicht falsch. Hat nie gestimmt. Gene sind nämlich nicht feste Eigenschaften, sondern variabel. Dazu ein paar Anmerkungen:
"Zellen haben in jedem Gen einen "Genschalter" vorgesetzt, der – wie das Gen selbst – zwar auch aus DNS besteht, aber ausschließlich dazu dient, Signale entgegenzunehmen, die ihm von der Zelle zugesandt werden". Diese Signale entscheiden, ob das Gen aktiviert oder ob es abgeschaltet wird.
In unserem gesamten Genom nehmen Gene im eigentlichen Sinn (24.000 Stück) nur 1,4% des gesamten Erbgutes ein. Sind also ein verschwindend kleiner Anteil.
40%, also viel mehr, werden Repeat-Sequenzen genannt. Sind im Dienste der Zelle. Sie sind der Motor und die Werkzeuge der Evolution. Die Werkzeuge für die Verdoppelung, für den Ortswechsel, und für die neue Anordnung von Genen. Etwas Unerhörtes!
Gene sind eben nicht komplett autistische Akteure wie wir sie seit Darwin verstehen, sondern sind in ihrer Gesamtheit (1,4%) ein hochgradig wahrnehmungsbegabtes Organ, gesteuert durch Beziehungen und Lebensstile. Definition der Epigenetik.
Wenn man dem jungen Patienten mit der Nervenlähmung allein diese paar wissenschaftliche Sätze beibringt, hat man ihm schon geholfen. Hat man ihm gezeigt, dass er diesen zwei Genen eben gerade nicht ausgeliefert ist. Dass er sie im Gegenteil durch Beziehungen und Lebensstil ändern kann.
Heißt für mich: Hilfe scheint möglich. Damit widerspreche ich selbstverständlich dem gesamten Riesengebäude der Medizin. Der Drohmedizin.
Nun, wir werden sehen.
Quelle: Joachim Bauer "Das kooperative Gen", Seite 38, 40, 83, 89.