Kennen Sie dieses stille, allumfassende Glücksgefühl, das Sie befällt dann, wenn Ihnen eine jähe Einsicht gelungen ist? Sie ein wesentliches Lebensprinzip verstanden und durchdrungen haben? Seltene Glücksmomente.
Unvergessen die Prüfung in theoretischer Physik. Als mir gleich auf die erste Frage die entsprechende Formel nicht einfiel. Kannte ich nicht. Wusste ich nicht. Und der Professor jetzt eben nicht ärgerlich zum nächsten Thema überging, sondern mir durch geschicktes Fragen (kennen Sie Sokrates?) ermöglichte, in wenigen Minuten diese Formel selbständig zu erarbeiten. Schritt für Schritt. Und dann stand er plötzlich da: DER SCHWARZSCHILD-RADIUS.
Also die Entfernung, ab welcher ein schwarzes Loch nicht nur andere Sterne, sondern auch deren Licht verschluckt. Man stelle sich vor: Lichtteilchen, Photonen werden durch die unheimlich starke Gravitation angesogen. Kaum vorstellbar.
Heute noch freue ich mich über diesen Moment, bin stolz auf die Fähigkeit, so etwas "fast Heiliges" selbstständig erarbeiten zu können. Stilles Glück.
Genau das ist soeben in der Praxis passiert. Junge Frau mit Krebs. Der übliche Ablauf: Operation, Chemotherapie. Nach drei Monaten kam der Krebs wieder. Diesmal PET-CT. Aufleuchten von Metastasen im ganzen Körper.
Und die Patientin erwähnt nebenbei, sie hätte Diabetes Typ II. Da gehen bei mir rote Lichter an. Da schrillt es Alarm. Was ist hier los? Wieder nichts verstanden? Sein Leben wegwerfen? Sie kennen die News "Deutlicher geht's nicht"? Habe zornig versucht, die Patientin in ihrem Denken anzuleiten, sie aufzuwecken. Haben wir zunächst PET-CT besprochen. Ob Sie wisse, was das sei. Freilich: Sie wusste, dass hier radioaktiv markierter Zucker gespritzt wird, der sich dann in den Krebsnestern versammelt und die aufleuchten lässt.
So weit, so gut. Ob Sie wisse, was Diabetes sei? Freilich: Erhöhter Blutzucker. Nein, nein, machte ich ihr klar: Wenn Sie ganz unschuldig essen so wie ich, steigt Ihr Blutzucker sehr viel höher an. Mit jedem Apfel, mit jedem Keks geben Sie sich eine gewaltige Blutzuckerspritze – im Gegensatz zum Normalmenschen. Das ist Diabetes.
Nachgefragt, wo denn jetzt diese Blutzuckerspritze wohl landen würde… dämmerte es ihr. Sah man ihr an den Augen an. Plötzlich wurde ihr klar: Als Diabetikerin hat sie ständig ihren Krebs gefüttert.
WICHTIG, auch für Sie liebe Leserin, lieber Leser: Die hat plötzlich verstanden, dass die gegessenen Kohlenhydrate nicht etwa in den Muskel oder ins Gehirn oder in den Knochen wandern, sondern absolut und zuallererst in Krebsnester. Anderenfalls würde beim PET-CT ja das Gehirn oder der Muskel aufleuchten. Tut er aber nicht. Es leuchten nur die Metastasen.
Sehen Sie… das war der Moment der Einsicht. Plötzlich hat die Patientin verstanden. Ich bin mir ganz, ganz sicher, dass sie ab jetzt no carb essen wird. Sehr überlegt. Und dass sie den unvermeidlichen Restzucker im Blut versuchen wird, wegzurennen.
Erinnern Sie sich an Frau Tomlinson? Berühmteste Brustkrebs-Patientin Englands? Die dem Krebs davon rannte? Gucken Sie bitte nach auf Wikipedia. Sie werden staunen, was die Dame alles geschafft hat.
Haben Sie den Witz verstanden? Hätte ich gleich über no carb gesprochen, Kohlenhydrate verboten und so weiter… wäre ich auf Widerstand gestoßen. Ohne Nudeln? Leben nicht möglich! Aber die eigene jähe Einsicht in die Physiologie Ihres Körpers, des Krebses hat die Patientin im Innersten überzeugt.