Reines Glück in Chitin.

Gast-News Nr. 34

Glühwürmchen und Ameisen sind mit höchst sensiblen Sinnesorganen ausgestattet. Ein glühendes Würmchen, das nachts chaotisch mit hunderten Genossen tanzt, ist für uns Menschen schön anzuschauen. Verstehen können wir das fluoreszierende Gewimmel allerdings nicht.

Den Flug eines einzelnen Glühwürmchens beschreiben wir Menschen als chaotisch. Zufällig. Geben dem Zufall Namen, wie Rauschen. Und weil wir mit dem Rauschen nicht klarkommen, geben wir dem Rauschen wissenschaftliche Farben. Weißes Rauschen, pinkes Rauschen, blaues Rauschen, braunes Rauschen.

Wir bauen so in typisch menschlicher Weise ein Art Filter ein, um mit der Realität besser klarzukommen.

Gleiches gilt bei Ameisen. Sie können das Verhalten des gesamten Ameisenhaufens beschreiben. Sie können allerdings nicht den Lauf einer einzelnen Ameise vorhersagen.

Der Begriff "Chaos" ist nichts weiter…als ein Begriff. Den wir einführen. Ein Filter, damit wir mit der Realität besser klarkommen.

Das genau ist die spannende Herausforderung tagtäglich beim Überzeugen von Menschen. Wir alle haben Filter im Kopf, um mit der Realität besser klarzukommen. Und suchen bewusst nach Dingen, nach Begriffen, nach Verhaltensweisen, die zu diesen Filtern in den Köpfen der Anderen passen.

Stehen wir unter Stress, schaltet das Gehirn in den Tunnelmodus: Neue Filter, neue Techniken, neue Denkweisen gerne, nur bitte nichts unglaublich Neues. Denn: Jagt uns der Säbelzahntiger, möchten wir uns auf unsere gebahnten, gewohnten Regeln sofort verlassen können. Um nicht gefressen zu werden.

Stehen wir nicht unter Stress, hängt’s davon ab, wie einfach neue "Dinge" auf uns zufliegen. Das Gehirn ist klug. Es investiert nicht unnötig ins Finden neuer "Dinge". Sogar die Schriftart von Texten, die wir lesen, beeinflusst das Gehirn. Sind es gewohnte Schriftarten, gewohnte Dinge, gewohnte Muster, kostet das weniger Energie, wenige Anstrengung.

Professoren wissen das. Halten Vorlesungen bewusst in "comic sans" geschrieben, damit die Studenten nicht einschlafen. Denn ungewohnte Schriftarten lassen Sie aufmerksam werden. Das bisschen mehr an Anstrengung lohnt immer.

(siehe, "Disfluency disrupts the confirmation bias.” Journal of Experimental Social Psychology 49 (2013) 178-182.)

Magnesium, das Salz der inneren Ruhe, auch das Joggen, das Meditieren ermöglicht Ihnen, Stress zu reduzieren. Um Neues mit fröhlicher Aufmerksamkeit aufnehmen zu können. Fördert schlimmstenfalls den IQ.

Was uns zusehends klarer wird, ist, dass die Ameise der Realität sehr viel näher ist. Dem Chaos sehr viel näher ist. Weniger abstrahierende Filter besitzt im Vergleich zum Menschen. Dann darf man sich auch fragen, ob es Schwarmintelligenz überhaupt gibt. Ob dieser Begriff nicht nur eine künstlich-menschliche Erfindung ist. Ob die Ameise nicht einfach das Chaos selbst versteht. Ein faszinierender Gedanke.

Meditieren kann auch lesen sein. Im Bücherschrank meines Vaters fand ich etliche Bücher von Bernard Werber. Der spannende Ameisen-Romane schrieb.

Fühlen Sie sich ein. In die Ameise. Wie sie das Zittern jedes Moleküls als "selbstverständlich wissend" empfindet. Hitzewellen versteht wie den Boden unter ihren Füßen. Freude und Stress nicht benötigt. Weil sie im Formenmeer taucht. Was für eine Welt muss das sein?