Keine Angst. Folgt jetzt keine Lebensbeichte. Kein Entwurf einer Biographie. Sondern jetzt kommt etwas sehr FRÖHLICHES, Mut-machendes: Sitzt soeben vor mir ein Elternpaar. Wünscht sich Blutanalyse. Der Anlass? Ich hätte ihrem Töchterlein "das Leben gerettet". Hätte Töchterlein (weitgehend) geheilt. Das hätte sie so beeindruckt, dass sie jetzt auch einmal an sich denken wollten.
Töchterlein?
Die hatte mir erzählt, sie würde sich von Jahr zu Jahr hangeln. Es ginge ihr immer schlechter. Seit Jahren sei sie nur noch kaputt und müde. Werde ständig dünner und schwächer, hätte Panikanfälle, bereits in der psychiatrischen Klinik, durch Tabletten die Leber beschädigt, möglicherweise auch Gehirnzellen (!!), leide an Tinnitus, könne nicht schlafen, hätte Schluckbeschwerden, Kreislaufstörungen, Kollaps, bei Sturz Knochen gebrochen. Hätte Untergewicht, angeblich Magersucht, der BMI sei 15.
Eine Aufzählung, der ich fast täglich lauschen darf. Wenn man da als Arzt nicht gute Nerven hat, ein dickes Fell entwickelt, innerlich aufgibt… Will sagen: Ich verstehe viele meiner Kollegen. Denn: Was soll man denn da tun? Mit einem EKG oder einem Ultraschall ist hier sicherlich nicht geholfen.
Sind wir beim Punkt. Meine Schulmedizin beherrscht die Hardware. In hervorragender Weise. Und hat von der Software, unserem Betriebssystem im Körper wenig Ahnung. Wenn überhaupt. Das war soeben in schlichten Worten die Erklärung für die vielen sog. Wunderheilungen…
Immer – also täglich- wenn die Aufzählung der Leiden in den ersten 10 Minuten im Sprechzimmer mehr als eine Karteikarte füllt (mit meiner kleinen Schrift), kenne ich die Diagnose. Weiß ich Bescheid. Denn solche Menschen sind in ihrem Leid selbstverständlich schon bei vielen, vielen Fachleuten, in Kliniken gewesen. Und was die untersuchen, was die finden können, weiß ich sehr wohl. 17 Lebensjahre in der Universität sind hier eine recht solide Basis, auf die ich mich durchaus verlassen kann.
Was nämlich von Fachleuten, in Kliniken nicht gemessen wird – die Software – könnte in solchen verzweifelten Fällen selbstverständlich die Lösung sein. Nun ja, nicht könnte, sondern IST.
Muss ich Ihnen inzwischen, die Sie alle Fachleute geworden sind, wohl nicht erklären
Eisenspeicher war leer
hoch-positive Resttiter nach Mononukleose (News vom 21.09.2020)
zu wenig Omega 3
dramatischer Mangel an Magnesium (0,74; Soll über 1,0)
viel zu tief Vitamin D (27; Soll 40 – 80)
und dann die Hauptsache: im Aminogramm nur ausgeprägte Defizite.
Erinnern Sie sich? Dieser wirklich gelungene Titel im SPIEGEL? "Schwelbrand im Gehirn". Genau so stellte ich mir das Gehirn dieser jungen Dame vor. Schwelbrand. Immunsystem kaputt. Kleinigkeiten wie Tinnitus bei viel zu tiefem Magnesium fallen dann gar nicht mehr ins Gewicht…
Das war vorher.
Jetzt kommt nachher.
Die Eltern strahlen mich an: Ich hätte ihrer Tochter das Leben gerettet. Es ginge ihr gut. Und genau darum geht es in der Medizin. Nicht um komplizierte Diagnosen, nicht um komplizierte Diagnostik, sondern um die fröhliche Feststellung des Patienten:
Es geht mir gut.
Dazu brauch ich die junge Dame auch gar nicht mehr zu sehen. Interessiert hätte mich einzig und allein der heutige BMI.