Eine wesentliche Aufgabe jeden Arztes, möglicherweise seine Hauptfunktion, ist die Motivation. Auf Deutsch: Der Tritt in den Hintern. Denn Information kann sich heute jeder Mensch (auch jeder Patient) aus dem Internet ausreichend besorgen. Nur ändert das ja nichts.
Es braucht die Tat.
Und hier hat der Arzt eine wesentliche Funktion: Durch geschickte, gezielte Interpretation bekannter Fakten, abgestimmt auf den Zustand des Patienten, kann er diesen sehr wohl motivieren. Etwas zu tun. Unbequemlichkeiten auf sich zu nehmen. Zu laufen.
Oft geht es dabei um Leben oder Tod. Und da darf der Arzt sich eben nicht zurückziehen auf mitleidiges Abwiegeln: Ein bisschen ist ja schon genug. Zurückziehen auf die typischen Sportmediziner-Anleitungen: Laufen Sie zweimal die Woche. Oder dreimal. Mehr brauchen Sie ja gar nicht. Das Leben ist ja schon hart genug. Bleim's lieber sitzen.
Schlimme, schonend gemeinte, aber falsche Ratschläge. Wird besonders deutlich nach dem Vortrag von Dr. Houf aus Wiesbaden (Med.Trib.9.7.2010).
Da geht es um Krebskranke. Um Patienten, die bereits operiert sind, Chemotherapie und Bestrahlung erleiden oder hinter sich haben. Behandlungen, die "den gesamten Organismus schädigen", die Patienten seien "ständig schlapp und müde, klagen über Herzrasen und Kurzatmigkeit". Würden "psychisch auffällig bis hin zur manifesten Depression".
Und was tun? Was rät Dr. Houf? Etwas ganz Unglaubliches. Er rät zu
täglich 30 Minuten Ausdauertraining.
Das würde nämlich nicht nur "körperliche Leistungsfähigkeit immens steigern" sondern parallel dazu auch die "psychischen wie physischen Fatigue-Symptome mindern", die Müdigkeit, die Abgeschlagenheit, in Einzelfällen ganz beseitigen.
Tägliches Laufen also würde Schwerstkranken, unsäglich müden und depressiven Krebspatienten das Leben wieder schenken. Die gewohnte Lebensqualität.
Für mich eine ungeheuerliche Entdeckung. Und eine Ohrfeige für all die Ratgeber des "zwei- dreimal wöchentlich ist genug" Geredes. Dabei meinen die gesunde, vielleicht übergewichtige Menschen.
Dr. Houf dagegen spricht sogar von schwerkranken Tumorpatienten. Und bleibt gnadenlos:
Täglich 30 Minuten. Recht hat er.
© 2024 Dr. Ulrich Strunz