Wahrheit kann weh tun

Auch mir. Wahrheit, verkündet Oktober 2009 auf einem Medizinkongress in Frankfurt. Geleitet vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Die höchst mögliche Adresse in Deutschland.

Die Wahrheit wird eingeleitet mit den zwei Sätzen:

"Es scheint so selbstverständlich, dass Ärzte am besten wissen, was sie für ihre Patienten tun müssen, basierend auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und ihrer Berufserfahrung. Aber diese einfache Annahme ist leider häufig falsch - es mangelt an Gesundheitskompetenz bei Ärzten, Patienten und den Leistungserbringern im Gesundheitswesen, so dass eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung erschwert wird".

Das ist zunächst eine Behauptung. Die mich kränkt. Die dann aber belegt wird. Am Beispiel Mammographie. Eine Vorsorge-Untersuchung für Brustkrebs. Dieses Verfahren, so heißt es, produziere viele falsche Ergebnisse. Daher sei es für jeden Arzt notwendig, erklären zu können, dass ein positives Testergebnis nicht automatisch bedeutet, dass die Patientin Brustkrebs hat. Das gilt nämlich nur für eine von zehn Frauen in dieser Situation. Nur eine von zehn hat dann tatsächlich Brustkrebs.

80% der Frauenärzte wissen das nicht (Gigerenzer et al 2007). Die meisten Frauenärzte denken, dass acht oder neun von zehn Frauen, die positiv getestet werden, auch wirklich Krebs haben. Resultat dieser ärztlichen Unwissenheit? Unnötige Angst und Panik. Grauenvoll!

Gilt aber auch für Patienten. Die sich aus den Zeitschriften, aus dem Internet informieren. Auch die wurden gefragt: Der Nutzen der Mammographie wurde von 92% der Frauen und der Nutzen der PSA-Prostatafrüherkennung von 89% der Männer um mindestens das zehnfache überschätzt oder war nicht bekannt (Gigerenzer et al 2009).

Je häufiger der Arztbesuch, je häufiger die Lektüre von Gesundheitsbroschüren, desto höher wurde der Nutzen dieser Früherkennungsmaßnahmen überschätzt.

Solche Tatsachen werden also im Oktober 2009 in Deutschland erörtert. Auf Kongressen. Wussten Sie das?