In Tränen, von Weinkrämpfen geschüttelt berichtet sie mir von dem Leid eines ganzen Jahres: Sie könne nichts mehr essen. Ständiger Durchfall, Bauchschmerzen, leistungsunfähig, kein Antrieb. Von Klinik zu Klinik, von Arzt zu Arzt. Verschrieben hätte man ihr Psychopharmaka.
Ja was denn sonst? Bleiben wir fair: Das Blut, das übliche Blut tadellos. Völlig überraschend. Sogar Hämoglobin, sogar Ferritin, sogar die Elektrolyte. Schlichtweg gesund. Freilich hatte man gefunden so Dinge wie Laktasemangel, aber das habe ich auch. Oder wie Fructose/Sorbitunverträglichkeit. Aber das haben ja 30% der Deutschen. Da isst man eben ein bisschen anders.
Hatte sie alles schon versucht. Kein Erfolg. Hoffnungslos. Da bleibt nur der Weinkrampf. Was glauben Sie, wie diese alltägliche Story weitergeht? Du meine Güte, die medizinische Wissenschaft ist hier doch nicht hilflos. Nur möglicherweise ein paar deutsche Ärzte. Das mag sein. Wir haben also erneut Blut abgenommen. Das übliche und... eben ein bisschen mehr. Interessiert haben auch verschiedene Viren, auch Immunparameter, und dann natürlich die Aminosäuren. Das Aminogramm.
Und da stand die Lösung. Klar und deutlich. Extreme Mangelzustände praktisch aller essentiellen Aminosäuren. Erinnern Sie sich? Essentiell heißt: Wenn eines fehlt, ist der Mensch tot. Und was ist dann, wenn nur die Hälfte da ist? Ja, dann kann man nichts mehr essen und muss weinen.
Was habe ich ihr geraten? Hackfleisch. Nur. Tagelang. Denn Milch‐Eiweiß oder Sojaeiweiß wurde selbstverständlich auch nicht vertragen.
Der Erfolg bleibt abzuwarten.
PS: Was mich zunehmend irritiert, ist die Haltung von deutschen Krankenkassen. Welche die Bestimmung der Aminosäuren einfach als "medizinisch nicht notwendig" abkanzeln. Heute. In 10 Jahren wird das Aminogramm zum täglichen Rüstzeug der Ärzte geworden sein. Das wissen wir alle. Aber muss das wirklich immer erst 10 Jahre dauern?
Ohne Aminogramm wäre diese Patientin mit Sicherheit als "schwerer psychiatrischer Fall" abgestempelt worden.
© 2024 Dr. Ulrich Strunz