Antibiotika töten Tumor-Stammzellen!?
Artikel #930 vom 11.12.2017
Jetzt kommt was Schönes. Was Neues. Elegant verpackt in einer wissenschaftlichen Arbeit. Um Ihnen diese wunderhübsche Entdeckung – für mich die wichtigste seit 20 Jahren – so richtig und mundgerecht zu präsentieren, bedarf es zweier Vorbemerkungen:
- Mitochondrien. Die Kraftwerke in unseren Zellen. Erinnern Sie sich? Sind gar nicht hausgemacht. Waren ursprünglich Bakterien, die vor Millionen Jahren in unsere Zellen gewandert sind. Symbiotisch: Wir haben diesen Bakterien Schutz geboten, die haben uns dafür Lebensenergie produziert.
Deshalb haben Mitochondrien einen eigenen genetischen Apparat. Sind in Wahrheit körperfremd. Und jetzt kommt die überraschende Frage:
Antibiotika. Entwickelt, um Bakterien abzutöten. Ahnen Sie schon was? Wenn Mitochondrien ursprünglich Bakterien sind, wie reagieren die dann auf Antibiotika?
Genauso, wie Sie jetzt denken. Und hier setzt die neue Entdeckung ein.
- Professor Dr. Wiestler. Deutsches Krebsforschungszentraum Heidelberg. Unsere oberste Krebsinstanz. Der mit der Krebsbehandlung in deutschen Krankenhäusern gar nicht zufrieden ist. Weil er sehr richtig sagt: Krebs ist eine Stammzelle. Die können sie nicht operieren, die können sie nicht mit Chemotherapie töten, die können sie nicht bestrahlen. Die überlebt immer.
Hintergrund dafür, dass Krebs so häufig wieder kommt. Wenn man nicht aufwacht, sein Immunsystem verändert und diese immer vorhandenen Stammzellen möglichst lange unterdrückt.
Stammzellen also. Und da schlägt Professor Wiestler eine zielgerichtete Immuntherapie vor. Gegen diese Zellen, also nicht gegen den Tumor oder die Metastasen. Nur… gibt es so zirka 200 verschiedene Krebse. Also 200 verschiedene Stammzellen. Also müsste man 200 verschiedene Immuntherapien entwickeln.
Denke ich mir: „Gute Nacht!“. Da werden wir lange warten.
Das waren die Vorbemerkungen. Kommen wir jetzt zur realen Forschung. Wir haben für all die verschiedenen Krebse inzwischen „genetische Landschaften“ entwickelt. Haben Hunderte von genetischen Unterschieden gefunden. Und suchen verzweifelt nach der einen „entscheidenden Mutation“ in dem unübersichtlichen Ozean der genetischen Veränderungen.
Wir suchen also etwas gemeinsames, etwas das alle Krebsarten verbindet, einen Punkt, an dem wir ansetzen könnten, um Krebs zu besiegen.
Erst kürzlich, 2015, wurde in Science gezeigt, dass zweidrittel aller Krebse beschrieben werden können durch die Anzahl der Teilungen ihrer Stammzellen. Also eine schlichte Zahl. Das passt zu unserer Vorstellung, dass Altern nichts anderes ist als genetische Mutationen der Gewebs-Stammzellen (gutartig), aus denen sich dann – manchmal, unglücklicherweise – Krebsstammzellen entwickeln können.
- Also scheint Krebs im Prinzip nichts anderes zu sein als eine Krankheit auf Grund von entgleisten Stammzellen (von benigne nach maligne).
Soweit, so gut. Jetzt kommt das Neue: Krebsstammzellen vereint eine Eigenschaft: Die strikte Abhängigkeit von der Biogenese der Mitochondrien. Nichts weiter als dem Eiweißaufbau. Heißt übersetzt: Krebsstammzellen sind anabol und sie brauchen die ständige Protein-Synthese, den Eiweißaufbau ihrer Mitochondrien, um zu überleben und um sich so ungeheuer schnell zu vermehren, zu wachsen, sich auszubreiten.
Das hat man biochemisch sehr genau untersucht und bewiesen. Und jetzt kommt’s:
- Genau in diese Biogenese, in diesen Eiweißaufbau-Prozess der Mitochondrien greifen typische Antibiotika ein. Die blockieren das. Genauso töten Antibiotika Bakterien. Ist das nicht sensationell?
Heißt übersetzt: Typische Antibiotika (die werden aufgezählt) töten Tumorstammzellen. Unabhängig von der Tumorart. Jede Stammzelle. Weil die alle die gleiche Eigenschaft haben: Rasche Teilung, dazu nötig rasche Protein-Synthese in den Mitochondrien. Normale Zellen sind lange nicht so aktiv, daher unempfindlicher gegen diese Antibiotika-Wirkung.
Fazit: Noch einmal: Wir glauben, einen völlig neuen Zugang zur Krebsbekämpfung entdeckt zu haben. Wörtlich „wir schlagen vor, Krebs wie eine Infektions-Krankheit zu behandeln“.
Und das scheint tatsächlich zu klappen. Lesen Sie mehr in der morgigen News.
Quelle: Oncotarget, Vol 6, No 7, S 4569, 2015