Schlafstörungen? Laufen Sie!

Artikel .1157 vom 17.01.2022


Wenn Kinder in einer natürlichen Umgebung groß werden ... nein, halt. Warten Sie. Lassen Sie mich persönlich werden: Als Kind bin ich in einer natürlichen Umgebung groß geworden. Am Stadtrand von Erlangen. Präzise an der Waldgrenze im Norden. Und so sind wir denn täglich durch den Wald ... nein, nein, nicht gegangen, nicht gejoggt ... gerannt. Gerast. Sind durch Pfützen gesprungen, auf Bäume geklettert. Stundenlang. Jeden Tag. Und prompt schliefen wir des Nachts tief und fest.

Zufall? Koinzidenz?

Kommen wir zu Ihnen. Erwachsene leiden sehr häufig an Schlafstörungen. Mehr als jeder zweite von Ihnen erzählt mir das. Leiden seit Jahren, seit Jahrzehnten. Finden das offenbar normal. Viele von Ihnen glauben – „ist halt der Stress“ –, das sei üblich und finden sich mit ihren Nächten ohne Erholung ab.

Ohne Erholung? Wussten Sie nicht, dass es nur im echten Tiefschlaf wahre Erholung gibt? Und nur auf wirklichen Tiefschlaf in der Nacht kann Höchstleistung am Tag folgen. Jeder Leistungssportler weiß hier präzise Bescheid. Aus eigener Erfahrung.

Und holt sich den Tiefschlaf sicherheitshalber zusätzlich am Tag. Jeden Tag zweimal. Nenne ich Reflex-Tiefschlaf. Die Technik dazu sollte Ihnen längst in Fleisch und Blut übergegangen sein. Stichwort: iamon.

Jetzt kommt´s: Es gibt für Sie (nicht für den Sportler) noch einen zweiten Weg: Wenn Sie sich als Erwachsener ebenso viel bewegen würden wie die Kinder, würden auch Sie genauso tief schlafen. Weshalb?

Muskuläre Bewegung macht müde.

Wie das? Wie funktioniert dies? Nun: Bewegung verbraucht Energie. Heißt also, wenn Sie laufen oder Fahrrad fahren verbraucht jede Muskelzelle Energie-Moleküle. Die heißen, wie Sie wissen, ATP. Phosphat. Phosphor. Wie viel Energie Phosphor erzeugt, wissen Sie, wenn Sie ein Streichholz anzünden. Und weshalb macht das Ganze müde? Nun, je mehr ATP eine Zelle verbraucht, umso mehr ADENOSIN entsteht, ein Abbauprodukt von ATP.

Adenosin aber ist das entscheidende Molekül. Es macht müde.

Um das Bild abzurunden: Adenosin wirkt zusammen mit dem Schlafhormon Melatonin. Kennen Sie. Kann man kaufen. Entsteht aus Tryptophan. Wenn die Konzentration beider Moleküle hoch ist, schlafen Sie gut, wirklich gut.

Haben Sie lediglich genug Melatonin (aus Tryptophan, abends geschluckt) ist die Schlafqualität schon lange nicht mehr optimal. Hat abgenommen. Weshalb ADENOSIN so entscheidend ist? Das blockiert die aktivierenden Neurotransmitter wie Dopamin, Acetylcholin und Noradrenalin.
Sind diesen aktiven Neurotransmitter durch Adenosin geblockt, dann wird man wirklich müde und kann gut schlafen.

Die eben aufgeführten Zusammenhänge zeigen die ganze Genialität der Evolution. Energieverbrauch muss unbedingt ermüdend wirken, einfach deshalb, damit der Körper sich wieder erholen kann, Erholung sogar unbedingt braucht, nämlich, um neue ATP-Moleküle, Energie-Moleküle aufzubauen. Wie raffiniert die Evolution hier vorgeht, merken Sie an diesem Mechanismus: Genau das Molekül, welches beim Energieverbrauch entsteht, entfaltet die ermüdende Wirkung.

Folgt ganz logisch: Beim massiven Energieverbrauch massive Ermüdung. Bei wenig Energieverbrauch am Schreibtisch nur leichte Ermüdung.

Und tatsächlich: In einem Ratten-Experiment konnte man feststellen, dass besonders intensives Training die Adenosin-Konzentration auch besonders effektiv steigert. Also?

Sollten Sie Schlafprobleme haben, laufen Sie!
Besser noch: Rennen Sie! Strengen Sie sich wirklich an.
Alternative wäre z.B. Holz hacken …

Falls Sie freilich schon lange Schlafprobleme haben, daran leiden, und wegen mangelnder Erholung ständig müde sind, schütteln Sie gerade leicht resignativ bei dieser Empfehlung Ihren Kopf. Wie soll das gehen, wenn man so erschöpft ist? Dann noch Holz hacken? Dann noch rennen? Tja.

Wieder meine Lieblings-Oma: Aller Anfang ist schwer.
Der Satz hat sich auch in meinem Leben immer und immer wieder bestätigt.

Hilft alles nix: Sie müssen es ausprobieren. Schon nach wenigen Malen merken Sie, wie das massiv aktivierte Adenosin Sie tatsächlich besser und tiefer schlafen lässt.

Adenosin wird dann während der Nacht natürlich abgebaut. Seine blockierende Wirkung auf die Aktivitäts-Hormone lässt also nach. Bedeutet, dass gegen Morgen die Synthese von Dopamin, Acetylcholin und Noradrenalin wieder messbar ansteigt. Na so ein glücklicher Zufall! Wenn Sie dann nämlich aufwachen, sind Sie plötzlich motiviert und voller Tatendrang. Und freuen sich nach Jahrzehnten wieder einmal… auf den neuen Tag!

Eine Selbstverständlichkeit für jedes Kind. Jetzt wissen Sie, weshalb.

Quelle: Dworak M, Diel P, Voss S, Hollmann W, Strüder HK. Intense exercise increases adenosine concentrations in rat brain: implications for a homeostatic sleep drive. Neuroscience. 2007;150(4):789-795.

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