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Artikel .1176 vom 30.05.2022


… ist gleichzeitig eine Gewissensfrage. Für mich. Heißt übersetzt: Wie auch immer ich Ihnen antworte, stets habe ich ein schlechtes Gewissen. Das bedrückt mich. Jetzt als Frührentner möchte ich Sie einmal teilhaben lassen an diesem

tag-täglichem Gewissenskonflikt

Beginnt regelmäßig mit einem Hilferuf aus ernstem Grund. Man leidet mit. Selbstverständlich habe ich – nach 50 Jahren täglicher Erfahrung – die gewünschte Lösung IN MIR parat. Nur eben: IN MIR nützt dem Patienten nix. Der möchte natürlich die Lösung IN SICH.

Ich weiß, ich weiß. Unverständlich. Na, dann lassen Sie mich das Ganze mal übersetzen. Beginnt mit einer mail. Einer ach so typischen:

Denke ich mir regelmäßig, tagtäglich: Was ist hier eigentlich los. Wo sind wir hier? Im Amazonas? Wir sind hier im medizinisch best-versorgtesten Land der Welt. Und dann solche Briefe?

„Hallo – ich bin 24 Jahre und leide an starken Depressionen. Bekomme nun zum zweiten Mal in meinem Leben Antidepressiva und bin damit überhaupt nicht zufrieden, denn es ist meiner Meinung nach nicht die Lösung meiner Kopfprobleme.

Ich treibe regelmäßig Sport (derzeit mit enormer Lustlosigkeit). Bin völlig am Ende, traurig, ohne Lebensziel, ohne jegliche Motivation und Konzentration.

Ich gebe mich nicht damit zufrieden, dass meine Krankheit genetisch veranlagt ist und ich zum Teil nichts dafür kann. Bei meinem Hausarzt fühle ich mich nicht gut aufgehoben, typischer Schulmediziner. Als ich das Thema Blutanalyse ansprach, bekam ich als Antwort, ich sollte es nicht übertreiben UND MEINE KRANKHEIT AKZEPTIEREN.

Tu ich aber nicht, denn ich möchte endlich mein Leben genießen, meine Vergangenheit hinter mir lassen und glücklich sein, bzw. erst einmal „normal“ werden.

Wie und wo bekomme ich schnellstmöglich eine ausführliche Blutmessung mit verständlicher Auswertung?“

Depression. Lustlos. Am Ende. Traurig. Ohne Lebensziel. Deutscher Hausarzt: „Akzeptieren Sie Ihre Krankheit“. Ja, so mag man sprechen. Wenn da nicht die peinliche Tatsache eines Gelöbnisses wäre, des ärztlichen Eides: „… die Gesundheit wieder herzustellen…“.

Aber: Sie verstehen mein Dilemma. Was soll ich antworten?

  • Weise ich auf mein Internet hin, wo die Laborwerte aufgelistet sind, passiert leider gar nichts. Weiß ich.
  • Weise ich auf „den Laborarzt“ in der Nähe ihn, den Sie bitte aufsuchen mögen und ihm die Liste von Blutwerten diktieren mögen, passiert leider gar nichts. Weiß ich.
  • Der Hausarzt als Ansprechpartner fällt ganz offensichtlich weg.
  • Also müsste ich auf meine Praxis verweisen. Lange Anfahrt. Mühsam. Diesen Gedanken hatte der Patient sicher auch schon. Und hat ihn verworfen. Zu umständlich. Tja … denk ich mir.
  • Allein dass er frägt … verrät schon alles.

Mit der schlichten Wahrheit ist es leider auch nicht getan: Denn neben den Blutwerten geht es, wie der Patient genau weiß, um eine „verständliche Auswertung“. Die dann auch umsetzbar wäre. ICH trau mir das zu ….

Kommt noch etwas hinzu, von dem Sie keine Vorstellung haben:

Ärztin. Kollegin. Seit Jahren, seit Jahrzehnten schwer psychisch gestört. Hat sich dennoch durch die tägliche Arbeit in der Praxis gebissen. Leidet extrem, jetzt auch körperlich. Katastrophale Blutwerte, wie zu erwarten. Kommt 2 Wochen später und klagt

  • Aminosäuren vertrage sie nicht
  • Eiweißpulver vertrage sie nicht
  • Sämtliche NEMs vertrage sie nicht

Sehen Sie, das ist Alltag. Eine erfahrene, leidende Kollegin dennoch an die Hand zu nehmen und ihre Blutwerte zu optimieren … höchste Kunst. Ärztliche Kunst.

Ein paar Wochen später hat sie sogar einmal kurz … gelächelt. Unbeschreibliches Glück.