Wie entstehen Leitlinien?

Artikel .1194 vom 03.10.2022


Leitlinien in der Medizin sind etwas sehr Vernünftiges. Sind Gebrauchsanleitungen, geben jedem Arzt, wenn er sich nicht ganz sicher ist, ein festes Gerüst. Sind gedacht als Vorschläge, an die man sich halten kann.

Wenn Ärzte, ganz besonders Arztgremien über Leitlinien sprechen, klingt da auffälliger Stolz mit, denn hier würde betrieben

evidenzbasierte Medizin

Also Medizin, die auf beweisbaren, durch Studien untermauerten Tatsachen beruht. Ach, du meine Güte! Immer wieder beeindruckend, wie wir Menschlein, auch wir Ärzte, uns selbst betrügen, uns selbst an der Nase herumführen.

Darf ich das erklären? Ein Beispiel ASPIRIN:

• Da gibt´s eine berühmte Studie im LANCET. Eine der renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften. Studie an der Universität Oxford. Die uns zeigt, dass Menschen, die fünf Jahre 75 mg Aspirin genommen haben,

21% weniger Krebs

bekommen. Und zwar Darmkrebs, Speiseröhrenkrebs, Prostatakrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Hirntumoren und Lungenkrebs.

Toll. Das ist Evidenz. Die Basis von Evidenz-basierter Medizin. Also unserer Leitlinien. Wenn da nur nicht ... wenn da nur nicht andere Universitäten etwas anderes gefunden hätten. Beispielsweise:

  • So hat die Nurses-Health-Study an 88.000 Frauen gezeigt, dass Aspirin-Schlucker ein GRÖßERES Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs hatten.
  • Und die Iowa-Woman´s-Health-Study an 28.000 Frauen genau das Gegenteil gezeigt hat: Aspirin scheint hier vor Bauchspeicheldrüsenkrebs zu schützen.
  • Und die größte Studie der American-Cancer-Society bestätigt eindeutig an 987.590 Teilnehmern: Aspirin bewirkt gar nichts. Weder löst es Krebs aus, noch schützt es vor Krebs.

Diese Spiele kennen Sie ja inzwischen. Nennt man Wissenschaft. Aber Sie lesen ja diese News. Wissen also: Würde man jetzt die einzelnen Studien exakt studieren (wer tut das wirklich?), dann käme man darauf, dass wie üblich Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Dass die unterschiedlichen Ergebnisse sehr wohl begründbar sind. Wenn auch erst nach mühsamem Studium. Mich lässt hier etwas ganz anderes lächeln.

Die obige so eindrucksvolle LANCET-Studie, die zeigt, dass Sie mit ein bisschen Aspirin 21% weniger Krebs bekommen (man stelle sich vor!), hat sieben Autoren. Sieben beteiligte Professoren. Sechs von denen haben in der Vergangenheit Honorare von genau solchen Pharma-Unternehmen bezogen, die Aspirin herstellen.

Es kommt noch besser: Der Studienleiter setzt sich im Fernsehen, in der BBC hin und empfiehlt lautstark Aspirin. Über die drei hier in diesen News soeben zitieren anderen Studien spricht er nicht. Natürlich nicht.

Sehen Sie: So entstehen Leitlinien. Und der schwer schuftende Arzt, der gar nicht die Zeit hat, Studien penibel und metikulös auch zu studieren, vertraut den „Fachleuten" und erzählt MIR tatsächlich und häufig genug ganz stolz etwas von

EVIDENZ-BASIERTER MEDIZIN